Die ersten Berührungspunkte mit der Thematik „Hören“ hatten wir schon sehr früh. Bereits kurz nach der Geburt, nachdem die ersten Hörtests negativ verlaufen sind, wurde erstmals in den Raum geworfen, dass Philipp, bedingt durch die sehr schmalen Gehörgänge, nicht hören würde. Auch der darauf folgende Gang zum nächsten ansässigen HNO brachte kein neues, erfreulicheres Ergebnis auf. Natürlich vertraut man irgendwo darauf, dass wenn zwei verschiedene Ärzte, einer davon ein HNOler und somit Spezialist, das Selbe feststellen, das auch stimmig sein sollte. Doch in der Beobachtung im Alltag fiel uns zunehmend auf, dass er doch zumindest auf laute Geräusche reagierte, z.B. mit Erschrecken bei einem Knall. Somit kam unsere Drittmeinung ins Spiel – der Pädaudiologe, welchem wir bis heute treu geblieben sind.
Zunächst gab es hier schon einmal den Unterschied, dass er mit den Besonderheiten von Kindern mit DS sehr gut vertraut war, da er über die Jahre schon sehr viele von ihnen betreut hat. Dieser Erfahrungsschatz und die entsprechenden, mitunter feineren Geräte, die selbst für die kleinen Gehörgänge ausgelegt sind, hat uns dann letztendlich dazu geführt, dass wir doch noch bestätigt bekommen haben, dass Philipp durchaus hört! Ich kann mich noch gut an die Erleichterung erinnern, dass uns zumindest diese Bürde fürs Erste erspart bleiben würde und ich nicht mehr über irgendwelche Methoden und Implantate usw. nachdenken musste. Unser Pädaudiologe erklärte sehr gut und anschaulich, welche Besonderheiten Philipp durch das DS mitbekommen hat und empfahl uns regelmäßige Kontrollen, um eine Hörminderung rechtzeitig feststellen zu können. So kamen wir also immer im Halbjahresabstand zur Kontrolle.
Mit ungefähr zweieinhalb Jahren sprach Philipp lediglich sehr vereinzelte Worte – Mama, Papa, ma für Oma, pa für Opa, ja, ba für Ball und einzelne nachgesprochene Silben in der Logo, die er mit zwei angefangen hat. Das war es dann auch so ziemlich. Da wir aber auf eine verzögerte Sprachentwicklung eingestellt waren, war das jetzt nichts Ungewöhnliches für uns. Auch auf Aufforderungen, Ansprache und Fragen hat er reagiert und entsprechend agiert, weshalb wir sein Sprachverständnis und das Hörvermögen als eigentlich ganz gut eingeschätzt hatten. Im ersten Quartal 2017, also mit etwas über zweieinhalb Jahren, gab es dann das erste Mal ein schlechteres Ergebnis bei der sog. Tympanometrie, bei welcher der akustische Widerstand des Trommelfells gemessen wird. Wird hier eine eingeschränkte Schwingung festgestellt, befindet sich mit großer Wahrscheinlichkeit eine Flüssigkeitsansammlung in der Paukenhöhle, welche sich zwischen dem Trommelfell und der Ohrtrompete befindet. Die Diagnose Paukenerguss (Flüssigkeitsansammlung in der Paukenhöhle im Mittelohr) / Belüftungsstörung kam also erstmalig auf.
Wissenswertes (nur ein kleiner Auszug):
Die Paukenhöhle ist über die Ohrtrompete (Tube) mit den Nasen-Rachen-Raum verbunden. Sie ist innen mit Schleimhaut überzogen und es befinden sich drei Gehörknöchelchen und Luft in ihr. Die Paukenhöhle dient zur Belüftung des Mittelohrs und zum Druckausgleich über den Nasen-Rachen-Raum. Eine Entzündung in der Paukenhöhle nennt man Tubenkatarrh. Die akute Form mit Flüssigkeitsansammlung in der Paukenhöhle nennt man Paukenerguss.
- Die Tube schwillt an und lässt nicht mehr genügend Luft in die Paukenhöhle, welche der Weiterleitung des Schalls dient. Durch diese Belüftungsstörung entsteht ein vermehrter Druck in der Paukenhöhle und es staut sich Flüssigkeit, wobei sich gleichzeitig das Trommelfell nach innen zieht. Wird der Paukenerguss nicht behandelt, so wird dieser chronisch, wobei die zunächst dünne, gestaute Flüssigkeit in der Paukenhöhle zäh wird. Die Schleimhaut dort verändert sich und produziert sog. Becherzellen, die dann zähen Schleim herstellen. Dies führt zu einer fortschreitenden Hörminderung und Druckgefühl (verstopfte Ohren, Hören wie durch Watte)
- Kann durch oder mit Erkältungskrankeiten mit Atemwegsinfekten einhergehen, vor allem bei Nasennebenhöhlen- oder Mittelohrentzündungen.
- Gestörte Nasenatmung (DS) begünstigt die Entstehung eines Paukenergusses
- Auch vergrößerte Rachenmandeln können ursächlich sein
- Festgestellt werden kann ein Paukenerguss durch eine Ohrenspiegelung, bei welcher sich Veränderungen am Trommelfell und Flüssigkeitsansammlungen erkennen lassen. Zusätzlich wird ein Funktionstest von Trommelfell und Tube durchgeführt, welcher sich Tympanometrie nennt. Hierbei wird der akustische Widerstand des Trommelfells gemessen (ist die Paukenhöhle vollständig gefüllt, kann das Trommelfell kaum noch schwingen)
Nachdem nun das erste Mal das Schlagwort Paukenerguss gefallen ist, sind wir erst mal so mit dem Pädaudiologen verblieben, dass wir vollends den Frühling/Sommer abwarten, sprich die Husten-und Schnupfenzeit vorbeigehen lassen, um dann im späten Sommer bei einem Kontrolltermin zu sehen, ob es sich von alleine wieder geregelt und gelöst hätte. Das war Option 1, abwarten und hoffen. Option 2 hieße operieren… Klar schreit keine einzige Mama gleich „Hier“ wenn es um eine Operation beim eigenen Kind geht; vor allem wenn schon einige vorangegangen sind und man weiß, was da auf sein Kind und auch auf einen selber zukommt, mal ganz zu Schweigen von der Gefühlslawine, die einen in solchen Momenten gnadenlos überrollt. Also schön ein halbes Jahr abgewartet und gehofft, den Kelch vorübergehen zu lassen. Leider war das Ergebnis im Spätsommer sogar noch schlechter als vorher, sprich es muss sich folglich die Flüssigkeitsansammlung, die bereits da gewesen ist, verfestigt haben. Uns wurde es so erklärt, dass Philipp zwar hört, das um ihn herum gesprochen wird, aber die Wahrnehmung ungefähr so ist, wie wenn man sich selber einmal die Ohren zu hält und versucht, die Umwelt wahrzunehmen. Ich habe das selber auch versucht und war erschrocken, wie verzerrt man sich selbst, andere Personen, aber auch Geräusche wahrnimmt. Unter diesen Bedingungen schien es mir einleuchtend zu sein, dass eine Sprachentwicklung dadurch zusätzlich extrem erschwert wird. Nach einigem abwägen entschieden wir uns schließlich für das Setzen der Paukenröhrchen.
Beim Setzen der Paukenröhrchen, auch Paukendrainage genannt, wird zunächst das Trommelfell leicht eingeritzt (Parazentese), um anschließend das Sekret aus der Paukenhöhle abzusaugen. Daraufhin wird das Paukenröhrchen, das nicht einmal 2 Millimeter groß ist, in die nun vorhandene Öffnung im Trommelfell eingesetzt. Es soll langfristig eine ausreichende Belüftung des Mittelohrs gewährleisten und wird meist nach ein paar Monaten (>6) spontan abgestoßen. Da auch die Rachenmandeln bei ihm vergrößert waren, und dies auch den Paukenerguss begünstigen kann, wurden diese auch mit entfernt (Adenotomie). Die Operation an sich dauerte insgesamt 1 Stunde inklusive Vorbereitung, und wurde unter Vollnarkose durchgeführt.
Philipp hat alles sehr tapfer überstanden und konnte schon ein paar Stunden später sein geliebtes Eis genießen. Es gab zum Glück keinerlei Komplikationen oder Nachblutungen, alles ist gut verheilt und so konnten wir nach 2 weiteren Tagen unter Beobachtung das Krankenhaus wieder verlassen.
Bei Paukenröhrchen muss man ein wenig im Umgang mit Wasser aufpassen; beispielsweise beim Baden/Duschen/Haare waschen sollte kein Seifenwasser ins Ohr gelangen. Durch die Waschtenside wird nämlich die Oberflächenspannung des Wassers herabgesetzt und so können Wasser, Tenside und Mikroorganismen die Barriere des Paukenröhrchens durchdringen und so zu Entzündungen im Ohr führen. Auch beim Schwimmen sollte etwas darauf geachtet werden. Wenn kaltes Wasser durch den Durchgang ins Mittelohr gelangt, kann akuter Schwindel auftreten, welcher im Schwimmbad zu lebensbedrohlichen Situationen führen kann. Hier haben wir auf Ohrstöpsel aus Silikon gesetzt, sie werden als kleine Kugeln geformt und vor dem Gehörgang ausgestrichen, und da ich kein großer Fan von Badekappen bin (Philipp gleich dreimal nicht) habe ich ihm noch schnell ein tolles farbiges Neoprenstirnband besorgt, das er ganz gut angenommen hat.
Das eigentlich Spannende fing dann ca. 2,5 Monate nach dem Setzen der Paukenröhrchen an: Philipp fing an zu sprechen! Zunächst waren es kleine Versuche, leichte einzelne Wörter nachzusprechen, er probierte nach und nach immer mehr und man merkte, wie viel Spaß und Gefallen er daran fand. Inzwischen erstreckt sich sein expressiver Wortschatz auf etwas mehr als 40 Worte und er beginnt, einfache Zwei- und machmal sogar Dreiwortsätze zu sprechen. Klar ist noch nicht jedes Wort deutlich verständlich, aber er versucht sich auszudrücken und traut sich auch immer mehr zu. Er hat sehr an Selbstbewusstsein dazugewonnen, und manchmal kommt er aus dem Babbeln und Quatsch machen gar nicht mehr raus. Wir sind sehr froh, dass wir hier den richtigen Schritt mit ihm gegangen sind und ihm geholfen werden konnte. Den Rest erledigt wie immer die Zeit, die Geduld, die tägliche Übung und das ständige Wiederholen, denn ohne Fleiß kein Preis 😉
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Wie in der Überschrift bereits beschrieben, ist dies lediglich ein aus meiner eigenen Erfahrung heraus geschriebener Bericht. Natürlich ist jedes Kind verschieden und jedes Kind hat seine eigenen Stärken, unterschiedliche Grundvoraussetzungen und seine eigene Geschwindigkeit in der Entwicklung, weshalb es nicht unbedingt für jeden passend ist oder auch eben unterschiedliche Ergebnisse erzielen kann. Mein eigenes Leitmotto lautet: Hör auf deinen Bauch, und vor allem, treff‘ deine eigenen Entscheidungen und tu was du für richtig hälst, weil nur dann kannst du hinter dem Ergebnis stehen, egal wie es ausfällt.