„Die Freude, das Selbstwertgefühl, sich von anderen anerkannt und geliebt zu wissen, sich nützlich und fähig zu fühlen, das sind Faktoren von ungeheurer Bedeutung für die menschliche Seele. Schließlich bilden das Selbstwertgefühl und die Möglichkeit, an einer sozialen Organisation teilzuhaben, lebendige Kräfte.
( …)“ Zitat: Maria Montessori
Was ist Integration?
Integration ist ein lateinischer Begriff mit vielen Bedeutungen. Ganz allgemein bedeutet er „…(Wieder)herstellung eines Ganzen, einer Einheit durch Einbeziehung außenstehender Elemente, Vervollständigung…“1
Soziologisch gesehen ist Integration die „Verbindung einer unterschiedlichen Vielheit von Menschen zu einer gesellschaftlichen (und kulturellen) Einheit“. 2
Für die Integration im Regelkindergarten bedeutet das:
Der Vorgang indem die Integrationskraft bewusst durch bestimmte Maßnahmen und gezielte Förderungen dafür sorgt, dass ein beeinträchtigtes Kind ein Teil einer Regelkindergartengruppe wird.
Was ist ein Regelkindergarten?
Hier ist kein Kindergarten mit „Regeln“ gemeint, sondern ein Kindergarten der kein Sonderkindergarten ist.
Freispiel, Integrationsgruppen und altersgemischte Gruppen sind in vielen Gemeinde- und städtischen (Regel)Kindergärten mittlerweile gang und gäbe.
Meist sind die Gruppen zwischen 20 und 30 Kinder groß. Die Öffnungszeiten sind relativ flexibel wählbar. Oft sind sogenannte Zukaufstunden möglich. Die Gebühren sind regional unterschiedlich ebenso die Konzepte der einzelnen Einrichtungen. Überwiegend findet man das „offene Konzept“ vor.
Es lohnt sich bei der Wahl des passenden Kindergartens sich mit den verschiedenen Konzepten vertraut zu machen und sich diese erklären zu lassen. Es bleibt eine individuelle Entscheidung, für welches System und welchen Kindergarten man sich entscheidet. Eltern wünschen sich die eine Einrichtung zu finden, welche die bestmöglichen Entwicklungsangebote für das Kind bietet, egal ob mit oder ohne Beeinträchtigung.
Wenn Eltern das Bedürfnis verspüren, ihr beeinträchtigtes Kind in einem Regelkindergarten anzumelden ist das nicht immer ein einfaches Unterfangen, aber es kann klappen und alle können davon profitieren: Die Kinder, die Eltern dieser Kinder, die Erzieherinnen und schlussendlich die Familie des beeinträchtigten Kindes. Sie werden dabei in ihrem Gefühl unterstützt, dass ein Leben mit ihrem Kind nicht Ausgrenzung bedeuten muss. Er ist natürlich nicht immer leicht, aber es gibt Wege, es so „normal“ wie möglich und mit Spaß am Leben zu gestalten. Der Besuch eines Regelkindergartens ist einer dieser möglichen Weg.
In Baden- Württemberg hat jedes beeinträchtigte Kind das Recht, einen Regelkindergarten zu besuchen.
relevante Gesetzestexte:
*Das Landesrecht Baden- Württemberg:
Gesetz über die Betreuung und Förderung von Kindern in Kindergärten, anderen Tageseinrichtungen und der Kindertagespflege
*Das Kindertagesbetreuungsgesetz (KiTaG) Fassung vom 19.03.2009
§1Geltungsbereich und Begriffsbestimmungen:
4) Einrichtungen mit integrativen Gruppen im Sinne dieses Gesetzes sind Einrichtungen, in denen Kinder, die auf Grund ihrer Behinderung einer zusätzlichen Förderung bedürfen, in gemeinsamen Gruppen mit nicht behinderten Kindern betreut werden.
(8) Gruppe im Sinne dieses Gesetzes ist die in den Einrichtungen gebildete, mit Fachkräften nach § 7 ausgestattete und durch Erlaubnis gemäß § 45 SGB VIII zugelassene Organisationsform, in der Kinder pädagogisch gefördert werden.
Welche Kosten entstehen für die Eltern?
Durch den Besuch eines Regelkindergartens entstehen lediglich die üblichen Kindergartengebühren, die der Träger festgelegt hat. Dem Kind sollte aber eine Integrationskraft an die Seite geben werden. Diese kümmert sich gezielt und fördert Schwächen des beeinträchtigten Kindes. Die Kosten für diese Integrationskraft werden auf Antrag vom Sozialamt übernommen. Über den Umfang entscheidet das Sozialamt im Einzelfall.
Die Finanzierung ist in den Bundesländern unterschiedlich geregelt, wird jedoch immer durch die entsprechenden Kindergartengesetze begründet und ist durch das BSHG abgedeckt.
Wie geht man vor, wenn man möchte, dass das beeinträchtigtes Kind einen Regelkindergarten besucht?
Man nimmt Kontakt mit der Kindergartenleitung auf und vereinbart ein Gespräch. Hierbei sollte ein gegenseitiges Kennenlernen im Vordergrund stehen. Ist die Kindergartenleitung mit der Aufnahme eines beeinträchtigten Kindes einverstanden und steht das ganze Team hinter dieser Entscheidung, kann es weiter gehen.
Der Kindergarten ist gefunden, und dann?
Nach Zusage über die Aufnahme des beeinträchtigten Kindes kann der Antrag auf Kosten- Übernahme für die Integrationskraft gestellt werden. Dieser ist rechtzeitig (Empfehlung = 6 Monate vor Kindergartenstart) beim zuständigen Sozialamt zu stellen.
Auf Grundlage des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch (SGBXII) erhalten Menschen mit Behinderung Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn sie wegen Ihrer geistigen, körperlichen oder seelischen Behinderung gleichzeitig in ihrer Fähigkeit, am Leben in der Gesellschaft teilzuhaben, wesentlich eingeschränkt sind.
Rechtsgrundlage
SGB XII- Sozialhilfe- § 53 Leistungsberechtigte und Aufgabe sowie § 54 Leistungen der Eingliederungshilfe
Antrag auf Integrationshilfe
Der Antrag kann von den Erziehungsberechtigten oder der Kindergartenleitung angefordert werden. Meist genügt zunächst ein Anruf bei der zuständigen Stelle und der Antrag kann per Post zugestellt werden. Er muss von beiden Elternteilen und der Kindergartenleitung ausgefüllt werden. Die Abgabe des Antrags beim Sozialamt kann von beiden Seiten erfolgen. Meist geschieht dies durch die Kindergartenleitung.
Die Inhalte des Antrages kann man hier nachlesen
Wer kann Integrationskraft sein?
Integrationskraft kann eine Erzieherin sein, die ihre Stundenzahl erhöht, oder eine extra hierfür eingestellte Pädagogin mit entsprechenden Zusatzausbildungen.
Zweimal im Jahr treffen sich Eltern, Pädagogen, Therapeuten und die Begutachterin vom Amt zur Runde um Förderziele festzulegen und zu reflektieren. Es wird hier auch ein Entwicklungsbericht verfasst, der die Maßnahme einer Integrationskraft rechtfertigt.
Was kann Integration im Regelkindergarten leisten?
Je nachdem welche Einschränkung vorliegt und welche Hilfen vom Kind benötigt werden, ist die Integrationskraft zum einen für das pflegerische und zum anderen für die soziale Integration zuständig.
Im Idealfall unterstützt die Integrationskraft das beeinträchtigte Kind individuell dort, wo ein Bedarf entsteht um frühzeitig an Bildungsprozessen teilzunehmen und um weitere Entwicklungen des Kindes zu fördern.
- Hilfen zur Strukturierung des Kindergartenalltags
- Integration in die Gruppe um als selbstverständlich angenommen zu werden
- Unterstützung für mehr selbstbestimmtes Handeln
- Unterstützung bei der Kommunikation und im Umgang mit Kommunikationshilfen
- Hilfen zur Erweiterung der Sozialkompetenzen
- Lernen von Anderen, auch nicht-beeinträchtigten Kindern
Die „Normalität des Alltags“ ist für alle Seiten eine Bereicherung. Das beeinträchtigte Kind wächst mit den Kindern aus dem Ort heran und alle erleben einen unverkrampften Umgang mit der Beeinträchtigung.
Letztendlich erleichtert man möglicherweise damit auch den späteren Übergang in das Schulsystem.
Wenn eine Einrichtung ein beeinträchtigtes Kind betreut hat und dieses in eine integrative Schulklasse entlassen kann, hat sie ein großes Stück Gesellschaftserziehung geleistet. Beeinträchtigte Menschen werden nicht mehr als Außenseiter der Gesellschaft gesehen, sondern gehören selbstverständlich dazu wie alte Menschen, kleine Kinder, ausländische Mitbürger oder „ganz normale Menschen“ mit ihren „normalen Beeinträchtigungen“. Verschieden zu sein heißt nun nicht mehr, anders, fremd, angstmachend zu wirken, sondern macht neugierig auf Fragen und auf neue Erfahrungen.
Dass alle normal verschieden sind, macht jetzt kein Problem mehr, sondern hilft uns vielleicht, die Verschiedenartigkeiten besser zu akzeptieren und in jedem Kind individuelle Fähigkeiten zu entdecken.
Damit dies gelingt, ist der erste Schritt erforderlich – wie es in einer Fachzeitschrift heißt:
Neue Wege entstehen erst beim Gehen!
Möchten sich doch viele Einrichtungen entschließen, diesen Schritt zu gehen.
Quellen
1 Meyers Lexikonverlag 1995
2 Meyers Lexikonverlag 1995
http://www.kindergartenpaedagogik.de/231.html
Das Kita Handbuch herausgegeben von Martin R.
Eine sehr informative Broschüre:
„Orientierungshilfe für die Sozial- und Jugendhilfe
Inklusion in Kindertageseinrichtungen
Leistungen der Eingliederungshilfe“
Herausgeber: Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg
Link: http://www.kvjs.de/fileadmin/dateien/soziales/egh/orientierungshilfe-kiga.pdf